Klassisches IT-Projektmanagement – sequentielle und evolutionäre Vorgehensmodelle

In der Softwareentwicklung können die Vorgehensmodelle beim IT-Projektmanagement in mehrere Gruppen unterteilt werden, abhängig vom Ablauf des Entwicklungsprozesses. Man unterscheidet zwischen linear und iterativ, sowie zwischen formell (klassisch) und informell (agil). In diesem Blog-Beitrag werden die gängigen formellen Vorgehensmodelle erläutert – sowohl die linearen als auch iterativen.

Vorgehensmodelle des klassischen bzw. formellen IT Projektmanagements

Zu den linearen (oder auch sequentiellen) Vorgehensmodellen des IT-Projektmanagements gehören beispielsweise das Wasserfallmodell und das V-Modell. Zu den iterativen Modellen zählen zum Beispiel das Spiralmodell, das inkrementelle und das iterative Vorgehensmodell. Eine Mischung aus linear und iterativ bildet das RUP-Modell (Rational Unified Process).

Uebersicht_IT-PM_Vorgehensmodelle

Das Wasserfallmodell

Das Wasserfallmodell gehört zu den sequentiellen Vorgehensmodellen des IT-Projektmanagements. Der Entwicklungsprozess ist bei diesem Modell in einzelne aufeinanderfolgende Phasen unterteilt: Analyse, Entwurf, Implementierung, Test und Installation, Wartung. Dabei werden diese nacheinander angegangen und jede einzelne Phase wird bei deren Abschluss dokumentiert.

Die einzelnen Phasen bauen hier aufeinander auf, d.h. die nächste Phase beginnt erst, nachdem die vorherige beendet wurde. Somit wird verhindert, dass während der Implementierung (oder späteren Phasen) neue Anforderungen dazu kommen. Erst nach dem Abschluss der Implementierungsphase kann die fertige Software gesehen und getestet werden. Das führt zu höheren Risiken für das gesamte Projekt, da die Ergebnisse ziemlich unvorhersehbar sind. Eventuelle Fehler in der Software werden erst am Ende der Testphase entdeckt und erfordern umgehende Behebung. Dies bringt einen höheren Aufwand und somit zu steigende Projektkosten mit sich.

Wasserfall-Modell

Vorteile:

  • Einfach und verständlich
  • Kein großer Schulungsaufwand notwendig
  • Managementaufwand ist überschaubar
  • Prozessablauf ist strukturiert

Nachteile:

  • Unrealistisch, dass alle Anforderungen innerhalb der 1. Phase erfasst werden
  • Fertiges Produkt liegt erst am Ende der Entwicklung vor
  • Auftraggeber ist nur in die 1. Phase „Anforderungsanalyse“ involviert
  • Nicht-Einhaltung der Meilensteine bzw. Phasen-Ende führt zu Verzögerungen des gesamten Projektes
  • Getestet wird erst am Ende – führt bei groben Fehlern zu sehr hohen Kosten und Verzögerungen

Geeignet für folgende IT- Projekte:

  • Projekte mit fest definierten und konstanten Anforderungen (kleine oder mittelgroße Projekte), Beispiel: Website-Entwicklung für ein Unternehmen
  • Vorhersehbares Budget und Zeitpläne
  • Projekte, die eine strengere Kontrolle erfordern, Beispiel: staatliche Projekte
  • Projekte mit festen Regeln und klaren Vorschriften, Beispiel: Softwareprojekte im medizinischen Bereich
  • Technologie-Stack und Tools sind bekannt und sollen zum Einsatz kommen

Das V-Modell (Validierungs- und Verifizierungsmodell)

Das V-Modell ist ein weiteres lineares Vorgehensmodell, bei dem alle Projekt-Phasen nacheinander durchgeführt werden. Im Unterschied zum Wasserfallmodell sind hier bei jeder Phase feste Tests definiert. Somit wird die Softwarequalität sichergestellt und effizienter gestaltet, was wiederum die Projektrisiken minimiert. Durch den hohen Testaufwand zählt das V-Modell aber auch zu einem der zeit- und kostenaufwändigsten Vorgehensmodelle.

Von der Vorgehensweise her ist das V-Modell dem Wasserfallmodell sehr ähnlich, da alle Anforderungen am Anfang des Projektes definiert und in späteren Phasen nicht mehr geändert oder angepasst werden. Grund dafür sind Kosten und Zeit, die für die Änderungen der Anforderungen während der Implementierung entstehen. Auch wenn Fehler im Code, der Architektur oder bei der Spezifikation frühzeitig erkannt und gemeldet werden, bleibt es sehr schwierig und teuer, Anpassungen vorzunehmen. Für die angepasste Software müssten alle bereits durchgeführten Tests noch einmal gemacht werden.

V-Modell

Vorteile:

  • Umfassendes Modell mit festen Validierungsphasen (Tests)
  • Integration von vielen Aspekten des Entwicklungsprozesses
  • Anpassbar und erweiterbar

Nachteile:

  • Zu generisch und allgemein
  • Nicht für (besonders) kleine Projekte geeignet
  • Erfordert gute CASE-Tools in der Softwareentwicklung
  • Sehr zeit- und kostenintensiv

Geeignet für folgende IT-Projekte:

  • Überall dort, wo Störungen und Ausfallzeiten inakzeptabel sind, z.B. medizinische Software oder Bahnverkehr

Das inkrementelle Vorgehensmodell

Das inkrementelle Vorgehensmodell hat einen Entwicklungsprozess als Basis, welcher in mehrere Iterationen unterteilt ist. In der jeweiligen Iteration werden neue funktionsfähige Software-Inkremente (Teile) erstellt und ausgeliefert. Dabei bleiben die bereits ausgelieferten Inkremente unverändert. Zu Beginn der Entwicklung werden die Anforderungen eines jeden Inkrements eingefroren. Die Reihenfolge der Entwicklung hängt von der jeweiligen Priorität der Anforderungen ab.

Der Entwicklungsprozess kann dabei sequentiell oder auch parallel ablaufen. Bei der parallelen Entwicklung wird eine schnellere Auslieferung der Inkremente ermöglicht. Viele aufeinanderfolgende Entwicklungsphasen können zu einer langen Projektdauer sowie höheren Kosten führen.

Inkrementelles-Modell

Vorteile:

  • Systemfunktionalität ist früher verfügbar, da Kundenanforderungen in jedem Inkrement implementiert und ausgeliefert werden
  • Am höchsten priorisierte Anforderungen bzw. daraus resultierende Funktionen werden intensiver getestet
  • Frühere Inkremente dienen als Prototyp, und helfen für weitere Anforderungen
  • Risiko fürs Scheitern des Projektes ist gering

Nachteile:

  • Mapping von Anforderungen auf die einzelnen Inkremente ist äußerst schwierig
  • Definition der Grundfunktionen für das aller erste Inkrement ist schwierig

Geeignet für folgende IT-Projekte:

  • Kritische Softwaresysteme (eher große und komplexe Projekte) mit eingebundenen Komponenten wie z.B. Mikroservices oder Webdienste, z.B. Software bei den Fluggesellschaften

Das iterative bzw. evolutionäre Vorgehensmodell

Bei der iterativen Projektentwicklung werden einzelne Projekt-Phasen mehrmals als Iterationen durchlaufen. In jeder der Iterationen wird das Produkt bzw. die Software angepasst, erweitert und weiterentwickelt. Aufgrund der iterativen Entwicklung, also der ständigen Verbesserung, müssen die vollständigen Spezifikationen nicht direkt am Anfang der Entwicklung geliefert werden. Es reich, wenn nur die wichtigsten Anforderungen definiert sind.

Ein wichtiger Bestandteil des Prozesses ist das Kunden-Feedback, welches immer wieder bei den Kunden eingeholt und in die Anforderungen eingebunden wird. Dank der iterativen Vorgehensweise ist es möglich, im Laufe des Projektes auf die Änderungen bei den Anforderungen flexibel zu reagieren.

Evolutionaeres-Modell

Vorteile:

  • Kunde ist nah am gesamten Entwicklungsprozess
  • Steigerung der Kundenakzeptanz für das Produkt durch fortlaufendes Einholen von Feedback

Nachteile:

  • Durch ständige Veränderungen sind Systeme schlecht strukturiert
  • Entwicklungsprozess nicht sichtbar
  • Messung des Projektfortschritts erschwert, da keine regelmäßigen Zwischenversionen vorhanden
  • Keine effiziente Dokumentation möglich
  • Nicht gut geeignet für große Systeme mit langer Lebensdauer

Geeignet für folgende IT-Projekte:

  • Kritische Softwaresysteme (eher große und komplexe Projekte) mit eingebundenen Komponenten wie z.B. Mikroservices oder Webdienste, z.B. Software bei den Fluggesellschaften

Das Spiralmodell

Bei dem Spiralmodell liegt der Fokus auf einer gründlichen Risikobewertung. Das Modell kann nur dann erfolgreich eingesetzt werden, wenn im Spezialisten für Risikobewertung einbezogen werden. Das Spiralmodell ist in 4 Phasen unterteilt: detaillierte Planung, Risikoanalyse, Entwicklung der Software und kritische Bewertung des bereits vorher ausgelieferten Inkrements. Eine Iteration mit den 4 Phasen dauert ungefähr 6 Monate.

Die gesamte Dauer eines Projekts ist unter Umständen deutlich länger, da die Iterationen bzw. Zyklen beliebig wiederholt werden können. Die Kunden spielen bei der Risikoanalyse (1. Phase) eine große Rolle. Das oberste Ziel ist immer die Minimierung von möglichen Risiken. Für jede Iteration werden die Randbedingungen, Ziele und ggf. Alternativen festgelegt, die wiederum zusammen mit den Risiken evaluiert werden müssen.

Spiralmodell

Vorteile:

  • Flexibles Modell
  • Risikoeinschätzung fest integriert
  • Risiken werden periodisch überprüft und erneut festgelegt
  • Andere Vorgehensmodelle können integriert werden
  • Mögliche Alternativen werden beleuchtet

Nachteile:

  • Keine weitere Verbreitung von Risikomanagement
  • Hoher Managementaufwand
  • Nicht gut für kleine und mittlere Projekte geeignet
  • Nicht geeignet für Wiederverwendung

Geeignet für folgende IT-Projekte:

  • Große und komplexe Projekte
  • Projekte mit innovativen und/oder anspruchsvollen Anforderungen
  • Projekte mit unklaren Anforderungen
  • Beispiel: Einführung eines neuen Produktes, Projekte in Forschung und Entwicklung (F&E)

Der Rational Unified Process (RUP)

Das Rational Unified Process (RUP) ist eine Kombination des linearen und iterativen Entwicklungsansatzes. Dabei wird der Entwicklungsprozess in 4 Projektphasen unterteilt: Konzept, Entwurf, Implementierung und Übergabe. Die erste Phase „Konzept“ wird nur einmal am Anfang des Projektes durchgeführt, alle anderen Phasen werden i.d.R. in mehreren Iterationen durchlaufen. Die einzelnen Arbeitsprozesse wie Anforderungsanalyse, Implementierung oder der Test werden parallel innerhalb der 4 genannten RUP-Phasen durchgeführt. Dabei ist die Intensität der einzelnen Arbeitsprozesse unterschiedlich.

Das Vorgehensmodell eignet sich für den Aufbau von stabilen und gleichzeitig flexiblen Softwarelösungen. Jedoch ist RUP nicht so anpassungsfähig und schnell wie die reinen agilen Vorgehensmodelle wie z.B. Kanban, Scrum oder XP (eXtreme Programming). Bei RUP kann die Dauer jeder einzelnen Iteration stark variieren, was von unterschiedlichen Faktoren abhängt wie z.B. Grad der Kundeneinbindung oder der Dokumentationsumfang.

Rational-Unified-Process-RUP

Vorteile:

  • Risiken können früher erkannt werden
  • Bessere Berücksichtigung von volatilen Anforderungen
  • Erleichterung der inkrementellen Auslieferung

Nachteile:

  • Mehrarbeit
  • Komplexeres Projektmanagement
  • Schwerer messbar

Geeignet für folgende IT-Projekte:

  • Große und risikoreiche Softwaresysteme
  • Use-Case-getriebene Entwicklung und schnelle Auslieferung hochwertiger Software

 

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Palina Vorobeva

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